Filme aus der Zeit der Weimarer Republik


  1. Inhaltliche Charakterisierung und zeitliche Einordnung des Bestands

    Die Zeit der Weimarer Republik war geprägt von Veränderung und Neuanfang. Nicht nur für die junge Republik, welche zunächst stark von den Kriegsfolgen geprägt war, bevor es in den sogenannten „Goldenen Zwanzigern“ eine Phase der relativen Stabilisierung erlebte und dann doch hart von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise getroffen wurde. Auch für das Medium Film war nach dem Ersten Weltkrieg die Zeit größter Entwicklung und Veränderung.

    Das deutsche Kaiserreich war durch den Krieg von Filmimporten weitgehend abgeschnitten. So boten sich nach dessen Ende für Filmproduktions- und -verleihfirmen ideale Bedingungen zur Eroberung des Marktes. Allen vorweg die noch zu Kriegszeiten gegründete Universum Film AG (UFA), die sich nun breit aufstellen konnte.
    Innerhalb weniger Jahre setzte sich der Film landesweit als Massenmedium durch. Gegen Ende der Zwanziger Jahre konnten zudem die meisten größeren Städte mit modernen Großraumkinos, wie dem Capitol, dem Zoopalast oder dem Phoebuspalast, aufwarten.
    In den Zwanziger- und Dreißigerjahren wurden in der Weimarer Republik mehr Filme produziert als im ganzen restlichen Europa zusammen. Damit wurde Deutschland zum zweitgrößten Filmproduktionsland hinter den USA. Der Langfilm setzte sich zunehmend durch und prägte sich bereits in unterschiedlichen Formen aus. 1927 entstand mit Metropolis der erste abendfüllende Science-Fiction-Film der Geschichte, aber auch der avantgardistische und experimentale Film (wie z.B. Das Kabinett des Dr. Caligari) eroberte zunehmend die Leinwand.

    Mit der Wochenschau konnte daneben auch ein kürzeres Format bestehen. Fungierte diese zu Kriegszeiten noch hauptsächlich als Propagandainstrument, bedingten das Kriegsende und die neuen politischen Verhältnisse auch eine inhaltliche Umstrukturierung der Berichterstattung. Aktuelle Berichte wurden der Unterhaltung gleichgestellt und neben dem politischen sollte jetzt auch das kulturelle und wirtschaftliche Leben des Landes abgebildet werden.
    Die Wochenschauen bestanden in der Regel aus sogenannten Sujets verschiedener Sparten, die unterschiedlich akzentuiert den Bereichen Politik, Militär, Kultur, Sport, Wirtschaft, Technik und Mode entstammten.
    Als Beiprogramm vor dem Hauptfilm erschienen sie zwar wöchentlich in den Kinos, doch Aktualität war nicht immer gegeben. Je nach Popularität wurden Wochenschauen oder einzelne Sujets manchmal mehrere Monate lang im Kinoprogramm behalten, obwohl kontinuierlich neue Ausgaben produziert wurden. Nach und nach bildete sich durch Austausch mit ausländischen Produktionsfirmen ein internationaler Standard für die Beiträge heraus, die in der Regel eine Länge zwischen ein und zwei Minuten bei einer Gesamtlänge der Wochenschau von circa zehn Minuten hatten.

    Mit der Einführung des Tonfilms erfuhr das Medium Film wohl seine bis dahin größte Veränderung. Das Lichttonverfahren, welches bereits 1921 entwickelt und 1922 in dem Film Der Brandstifter in Berlin uraufgeführt wurde, brauchte noch einige Jahre um auszureifen und sich in der Welt durchzusetzen. Auch die Wochenschauproduktion erreichte mit den verschiedenen klanglichen Gestaltungsmöglichkeiten, d.h. mit dem Hinzufügen von Musik, gesprochenen Kommentaren und Soundeffekten, eine neue Qualität.

    Gab es Mitte der Zwanziger Jahre noch circa ein Dutzend verschiedener Wochenschauformate, so reduzierte sich die Zahl mit Einführung des Tons erheblich. In der Regel wurde weiterhin zunächst stumm gedreht und der Film erst im Nachhinein mit Kommentar und Musik versehen. Lediglich wichtige Reden oder Ansprachen zeichnete man unter größerem Aufwand mit Originalton auf.

    Die hier präsentierte Auswahl von Filmen besteht, abgesehen von wenigen Ausnahmen, vorwiegend aus Wochenschaubeiträgen und Dokumentarfilmen.

    Inhaltlich bilden die Titel eine breitgefächerte Auswahl zum zeitgenössischen Geschehen der Weimarer Republik und seiner bedeutenden Ereignisse ab:
    Mit der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 waren Frauen zum ersten Mal reichsweit aktiv und passiv wahlberechtigt. Der von der Reichszentrale für Heimatdienst produzierte Film Anna Müller-Lincke kandidiert war nicht nur Werbung für die Teilnahme an der Wahl, sondern erklärt anhand von drei fiktiven Kandidierenden spielerisch den Ablauf des Wahlprozesses und dessen Bedeutung. Der Film Der große Tag des deutschen Volkes dokumentiert ausschnitthaft diese bedeutsame Wahl.
    Neben diesen ersten Wahlen zur Nationalversammlung werden von der Trauerfeier zum Tod von Friedrich Ebert über die Geburtsstunde des Rundfunks bis zum Parteitag der NSDAP verschiedenste filmische Dokumente zur Zeitgeschichte zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus sehen (und hören) wir weniger Vertrautes; zum Beispiel wie Gustav Stresemann die kinematographische und photographische Ausstellung eröffnet, Frauen beim „mensendieken“, eine Rede Heinrich Brünings sowie Bilder der Strandmode der 1920er. Ebenfalls zu diesen Filmen zählt das zeitweilig verbotene Filmwerk Land unterm Kreuz, dessen Aufführung 1927 zu massiven Verstimmungen den deutsch-polnischen Beziehungen führte.

  2. Bestandsgeschichte

    Die filmische Überlieferung aus der Zeit der Weimarer Republik weist insbesondere im Bereich des Dokumentarfilms große Überlieferungslücken auf. Ein Großteil der Filmwerke gilt als verloren. Hinzu kommt, dass überlieferte Filme und Wochenschauen vielfach nur fragmentarisch erhalten sind.

    Die hier präsentierte Auswahl an Filmen aus der Zeit der Weimarer Republik gelangte auf verschiedenen Wegen in das Bundesarchiv. Ein maßgeblicher Teil des Filmstocks ergab sich aus der Überlieferung des Reichsfilmarchivs, dessen Bestände v.a. über das Staatliche Filmarchiv der DDR im heutigen Bundesarchiv aufgingen. Vereinzelt wurde der Filmstock aus Privatabgaben und sonstigen Abgebern angereichert (vgl. auch die Bestandsbeschreibung zu Filmen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs auf der Filmothek:
    https://www.filmothek.bundesarchiv.de/contents_wwi

    Hinter vielen der hier verfügbaren Dokumentarfilme stehen dieselben Produktionsfirmen wie hinter den Wochenschauen. Folgende Provenienzen bestimmen den zugrunde liegenden Filmstock:

    Messter-Film GmbH. Während des Ersten Weltkriegs baute Filmpionier Oskar Messter mit seiner Messter Woche die erfolgreichste Wochenschau auf. Nach Kriegsende verkaufte er seine Unternehmen an die Universum Film AG (UFA). Die Messter Woche wurde von der Deutschen Lichtspiel-Gesellschaft (DLG) noch bis 1922 unter diesem Titel weitergeführt.

    Deulig Film AG. Ebenfalls zur DLG gehörig, erschien ab 1920 die Deulig Woche. Ab 1922, nach Absetzen der Messter Woche, wurde sie als Deulig Wochenschau betitelt. 1927 ging die DLG in der UFA auf. Somit wurde die Deulig-Tonwoche fortan von der UFA produziert.

    Universum Film AG. Die Ufa Wochenschau sah sich als direkten Nachfolger der Messter-Woche und feierte deshalb 1939 ihr 25-jähriges Bestehen. Die erste Ausgabe unter dem Titel Ufa-Wochenschau wurde 1925 vom Berliner Ufa-Kino gezeigt. Die UFA war seit 1918 in einer Interessengemeinschaft mit der DLG verbunden.

    Münchner Lichtspielkunst AG (MLK/Emelka). 1918 als bayerisches Gegenstück zur UFA gegründet, war Emelka bis Ende der Zwanziger Jahre erfolgreich und zeitweilig sogar der zweitgrößte deutsche Konzern der Weimarer Republik. Die Emelka Woche, die von 1926 bis 1931 lief, war der einzige Gegenentwurf zu den konservativeren Wochenschauen der UFA und stand der Sozialdemokratie nahe. Die Partei versuchte mittels der Wochenschau politischen Einfluss auf den Film zu gewinnen. Der sozialdemokratische Kanzler Müller schaltete sich sogar in die Verkaufsverhandlung des Konzerns ein, um einen Übergang in die Hände der UFA zu verhindern.

  3. Archivische Bewertung und Bearbeitung

    Im Vorfeld der Digitalisierung wurde die für die Online-Präsentation ausgewählte filmische Überlieferung des Bundesarchivs aus der Zeit der Weimarer Republik umfassend archivisch, teilweise auch konservatorisch, bearbeitet.

    Die Digitalisierung der Filme erfolgte im Rahmen des abteilungsübergreifenden Projekts des Bundesarchivs „Weimar - die erste Deutsche Demokratie“.

    Die Auswahl der auf der Filmothek bereitgestellten Filme soll im Rahmen der digitalen Sicherung von Filmen in den kommenden Jahren kontinuierlich erweitert werden. Auf diese Weise werden die Filme konservatorisch gesichert und einer breiten Öffentlichkeit digital zur Verfügung gestellt. Auch Filme, die im Bundesarchiv bisher nur auf Nitrofilm überliefert waren, werden somit wieder zugänglich gemacht.

    Bei der Erschließung des Filmstocks boten ein Findbuch von Peter Bucher zum Koblenzer Wochenschau- und Dokumentarfilmbestand aus dem Jahr 1984 sowie ein Sachthematisches Inventar von Hans-Günther Voigt zu Filmdokumenten der deutschen Arbeiterbewegung von 1991 eine erste Orientierung.

    Obgleich der der Verlust an überliefertem Filmmaterial aus der Zeit der Weimarer Republik (v.a. in Folge des Zweiten Weltkriegs) hoch ist, konnten nicht alle im Bundesarchiv überlieferten Filme dieser Epoche für die Onlinepräsentation bestimmt werden, da zahlreiche einschlägige Filme nicht zum Rechtebestand des Bundes zählen.

    Für die Selektion aus der Reihe der überlieferten Dokumentar- und Spielfilme war die Klärung der Filmrechte primär ausschlaggebendes Kriterium. Aus diesem Grunde sind auf der Filmothek nur Filme verfügbar, bei denen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesarchiv, als Rechteinhaber festgestellt werden konnte. Der tatsächliche im Bundesarchiv einsehbare Filmbestand der Weimarer Republik ist somit um ein vielfaches größer.

    Zu den archivischen Besonderheiten des Bestands gehört die häufige Fragmentierung und Neukomposition der Wochenschauen. Da sie eine Zusammenstellung vieler einzelner Sujets waren und ohnehin nicht den Anspruch auf höchste Aktualität hatten, stellten die Lichtspielhäuser oft ihre eigenen Kompositionen aus beliebten Sujets zusammen. Auch archivische Kompilationen sind keine Seltenheit.
    Wenn dabei Zwischentitel oder Logos verloren gingen, ist es oft sehr schwer, einzelne Sujets exakt zuzuordnen. Bei der Erschließung des Materials musste bei der inhaltlichen Sichtung also stets auch ein Abgleich mit den vorhandenen Zensurdaten erfolgen und eingefügte fremde Sujets entweder gekennzeichnet oder entfernt und zur ursprünglichen Wochenschau zusammengeführt werden. Auch wurden gleichbetitelte Werke stets einem Materialvergleich unterzogen und das inhaltlich wie technisch geeignetste Exemplar als Digitalisierungsvorlage festgelegt.

    Wurden relevante Sujets gefunden, die keiner Wochenschau exakt zugeordnet werden konnten, werden sie unter einem Archivtitel veröffentlicht, wie beispielsweise Messter-Woche Enzelsujets 1921. Konnten die zugehörigen Zensurdaten ermittelt, aber kein weiteres Material gefunden werden, wurden solche Neukompositionen z.B. als Messter-Woche 21/1920 + 37/1921 belassen.

    Die im Zuge der inhaltlichen Erschließung entstandenen Metadaten wurden durch Orts- und Personenindexierung ergänzt und stehen den NutzerInnen der Filmothek zusammen mit den filmografischen Grundinformationen zur Verfügung.

  4. Zitierweise

    a) Zitierregel für Streaming-Dateien
    [Titel des Filmwerks], Bundesarchiv, Bestand Film: [Videolink]
    Beispiel:
    Die Streaming-Datei des Film „Anna Müller-Lincke kandidiert“ wird zitiert:,
    Bundesarchiv, Bestand Film: Anna Müller-Lincke kandidiert
    https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/37299

    b) Zitierregel für Kopien (Filme, Ausschnitte, Standbilder)
    Die für das Zitieren von Kopien maßgebliche Signatur wird bei der Auslieferung der Datei im Vorspann bzw. bei Standbildern im Bildrand angezeigt.
    Beispiele:
    Die Kopie des Films/eines Filmausschnittes/eines Standbildes dem Film „Anna Müller-Lincke kandidiert“ wird zitiert:
    Anna Müller-Lincke kandidiert, 1919, Quelle: Bundesarchiv, Bestand Film: 4513

  5. Laufzeit

    1918 – 1933

  6. Auswahlbibliographie

    BAB, Bettina; NOTZ, Gisela; PITZEN, Marianne; ROTHE, Valentine (Hrsg.), Mit Macht zur Wahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Europa. Frauenmuseum, Bonn 2006

    BORGELT, Hans, Die UFA, ein Traum. Hundert Jahre deutscher Film, Berlin 1993

    BARKHAUSEN, Hans, Filmpropaganda für Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Hildesheim 1982

    BUCHER, Peter, Wochenschauen und Dokumentarfilme 1895 – 1950 im Bundesarchiv-Filmarchiv (16 mm Verleihkopien). Findbücher zu Beständen des Bundesarchivs, Band 8, Koblenz 1984

    KREIMEIER, Klaus, EHMAN, Antje, GOERGEN, Jeanpaul (Hrsg.), Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Bd. 2 Weimarer Republik, Stuttgart 2005

    GOERGEN, Jeanpaul, Der dokumentarische Kontinent. Ein Forschungsbericht, in: Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Bd. 2 Weimarer Republik, hrsg. von Klaus Kreimeier, Antje Ehman und Jeanpaul Goergen, Stuttgart 2005, S. 15-43

    GRÖSCHL, Jutta, Die Deutschlandpolitik der vier Großmächte in der Berichterstattung der deutschen Wochenschauen 1945 – 1949: ein Beitrag zur Diskussion um den Film als historische Quelle. (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte; Bd. 5) Giessen, Univ. Diss., 1995

    HOFFMANN, Kay, Wochenschau, publiziert am 06.09.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wochenschau (letzter Zugriff: 13.03.2018)

    JOSSÉ, Harald, Die Entstehung des Tonfilms. Ein Beitrag zu einer faktenorientierten Filmgeschichtsschreibung, Freiburg im Breisgau 1984

    KLEINHANS, Bernd, „Der schärfste Einsatz für die Wirklichkeit“. Die Geschichte der Kinowochenschau, St. Ingbert 2013.

    MESSTER, Oskar, Mein Weg mit dem Film, Berlin 1936

    MÜLLER, Corinna, Vom Stummfilm zum Tonfilm, München 2003

    POLZER, Joachim (Hrsg.), Weltwunder der Kinematographie – Beiträge zu einer Kulturgeschichte der Filmtechnik – Aufstieg und Untergang des Tonfilms – mit Geschichtsdarstellungen zu Lichtton und Magnetton. 6. Ausgabe 2002, Potsdam 2002

    ROTHER, Rainer (Hrsg.), Die Ufa 1917–1945. Das deutsche Bildimperium. Deutsches Historisches Museum, Berlin 1992

    Björn Seidel-Dreffke, Die Geschichte der Deutschen Wochenschau, in: Filmportal.de, URL: www.filmportal.de/thema/die-geschichte-der-deutschen-wochenschau (letzter Zugriff: 13.03.18)

    Ufa-Lehrschau (Hg.), 25 Jahre Wochenschau der Ufa, Berlin 1939

    VOIGT, Hans-Gunther (Hrsg.), Filmdokumente zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung, Berlin, 1991

  7. Überlieferungsverweise

    a) Verwandte Schriftgutbestände im Bundesarchiv

    R 9346 Zulassungskarten deutscher Filmprüfstellen

    R 901 Auswärtiges Amt (Klassifikationsgruppe 9.2 Bild und Film)

    R 109 Universum Film AG

    N 1275 Nachlass Oskar Messter

    b) Weitere audiovisuelle Überlieferung

    Bildarchiv/Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs
    Das Bundesarchiv verwahrt ca. 11 Millionen Bilder, Luftbilder und Plakate zur deutschen Geschichte. Erste Fotografien stammen aus dem Jahr 1860. Schwerpunkte der Überlieferung sind Bilddokumente zu Ereignissen und Personen. Im Digitalen Bildarchiv (https://www.bild.bundesarchiv.de/dba/de/) des Bundesarchivs befindet sich ein repräsentativer Querschnitt von über 200.000 Bildern.