Jahresrückblick 1963
Ja das Studium der Weiber ist schwer (Inhalt siehe Sprechertext) Material siehe Ordner für Jahrsrückblick
Jahresrückblick
"Alle Weiber, Frauen dieses Jahres"
"Ja, das Studium der Weiber ist schwer ..."
Und diese Männer, die energischen, gedankenvollen und tatkräftigen Männer, die zu Beginn dieses Jahres die Geschicke der Welt mit der Energie von Holzfällern in die Hand nahmen, - diese Männer stellten plötzlich fest, dass sich zarte, sehr zarte Hände in das Spiel mit dem Erdball mischten. Die Frau, die als Matrone Oder Mätresse schon so oft die Politik beeinflusst hat, verschaffte nach Jahrhunderten der Enthaltsamkeit dem Sprichwort wieder Weltgeltung, wonach die Frau der unsichtbare Pfeiler der Weltgeschichte sei.
"This is my story, the story of my life, the Christine-Keeler-Story."
Als einer der Pfeiler sichtbar wurde, brach ein anderer Pfeiler in sich zusammen: Englands Kriegsminister Profumo musste gehen, weil er ein Gentleman war. Und weil er nach dem Motto handelte: ein Kavalier geniesst - und schweigt.
"Hallo, how lovely to hear from you."
Doch die konservative englische Öffentlichkeit notierte voller Missbehagen, dass Profumos Schweigen allzu sehr mit der bewährten Tradition kollidierte: sich bei Lügen in der Politik nicht erwischen zu lassen. Und so blieb Macmillan nichts weiter übrig, als Profumos Entlassungsgesuch anzunehmen und dem Publikum wohl oder übel die Möglichkeit zu geben, sich über einen Skandal zu erregen.
Weder Prinzessin Margaret vermochte die Schlagzeilen der Weltpresse zu ändern, noch die Königin.
Selbst Elizabeth, die sonst die Würde des Empires erfolgreich zu wahren wusste, musste erleben, wie ihre eigenen Landsleute anlässlich des königlichen Besuches aus Griechenland vergassen, dass sie erstens die Krone repräsentiert und zweitens eine Dame ist. Während die Königin versuchte, unsere so nüchterne Welt mit ein wenig Glanz und Glorie zu versehen, gingen den Engländern für eine Weile die sonst so wohlgehüteten Maßstäbe verloren.
Schuld daran war nicht zuletzt jene Frau, die nichts weiter getan hatte, als ihre Wünsche mit denen der Männer in einträgliche Übereinstimmung zu bringen. Der krönende Abschluss ihrer mit politischem Sex-Appeal gewürzten Karriere blieb ihr allerdings versagt. Statt dass sie auf der Kinoleinwand sich selbst spielt, muss sie nun für neun Monate ihren poli-erotischen Betätigungsdrang in einer Zelle des Frauengefängnisses Holloway bändigen.
"My name is Christine Keeler. I shall be 22 next February. I was born in Haddington near Middlesex."
Eine andere Frau beschäftigte die Welt auf ähnliche, aber harmlosere Weise. Von Cleopatra alias Elisabeth Taylor lebten die Millionen-Auflagen der Zeitungen und bewiesen wieder einmal, dass mit der chronischen, Überbewertung von Persönlichkeiten heutzutage das grosse Geschäft zu machen ist. Ein publizistischer Wolkenbruch von Bettgeflüster, Sinnlichkeit, Skandal und exotischer Lebensgier ging über der Menschheit nieder und liess die Welt des Cleopatra-Look spriessen, in der sich Cleopatra und die Taylor unentwirrbar zu einem Idol vermischten.
In unserer an Romanzen so armen Zeit verkörperte die Cleopatra- Taylor die Sehnsucht der Massen, aus einem tristen Alltag in eine Renaissance-Welt wild wuchernder Leidenschaften zu entfliehen. Diese Frau stand im Mittelpunkt der Diskussionen um Ehe, Liebe, Treue und Mütterlichkeit. Und doch musste sie an sich jene bittere Erkenntnis der Massenpsychologie erfahren: "Die Menge bewundert, was sie verachtet, und sie verachtet, was sie bewundert."
Wir haben es besonders in diesem Jahr erlebt, dass die Frau unaufhaltsam in die Domäne des Mannes vorgedrungen ist. Und fast hat es den Anschein, als ob eine Umstellung der Geschlechter begonnen hat. Niemand weiss genau, ob sich in dieser Entwicklung nur eine auf die Spitze getriebene Emanzipation oder aber der Versuch offenbart, nach Jahrtausenden männlichen Versagens das Schicksal des Globus in weibliche Hände zu nehmen.
Solange die Botschaft weiblicher Überlegenheit von so ansehnlichen Erscheinungen wie Jutta Heine verkündet wird, stimmen wir Männer freudig zu. Bedenken allerdings erheben wir, wenn die Frau in Sportarteneinbricht, bei deren Ausübung selbst die Männer oft nur mit Mühe ihre Würde wahren können. Hier scheint sich ein sinnloser Aufstand gegen die eigene Anatomie zu vollziehen, gegen jene körperlichen Vorzüge also, auf denen der Fortbestand der Menschheit vorzugsweise aufgebaut ist.
Ein männlicher Einfall war es hingegen, die Frau an der Eroberung des Kosmos zu beteiligen. Man könnte es als Ausgeburt sozialistischen Geistes betrachten, trüge sich nicht auch der Westen mit dem Gedanken, Frauen in den Weltraum zu schiessen. Ähnlich also wie John Glenn in diesem Jahr - wir zeigen den Amerikaner, weil die Sowjets ihre Raketenaufnahmen schamvoll vor der Öffentlichkeit verbergen - ähnlich wie Glenn flog die Russin Valentina Tereschkowa etliche Male um die Erde und landete schliesslich wohlbehalten in den Armen ihres Parteiherrn Chruschtschow. Als des Kremls bestes Beispiel für das kommunistische Emanzipationsideal ging die Valentina daraufhin auf Werbetournee. (russ. Original-Ton)
Mit ihrem sehr undogmatischen Familiensinn und mit einer äusseren Erscheinung, die eigentlich viel zu schade ist, um in den Weltraum geschossen zu werden, bezauberte die Tereschkowa die Menschen in Ost und West, - wer weiss, ob mehr als sympathische Frau oder als Weltraumreisende.
Mit einem Lächeln, das an den berühmten Schell-Charme erinnert, bezauberte sie selbst Chruschtschow, der zweifellos der prominenteste Gast ihrer Hochzeit war. Diese Stunde der Schwäche einer sehr mutigen Frau lässt übrigens den Schluss zu, dass es ohne Männer wohl doch nicht ganz geht.
Im Wechselrahmen dieses Jahres hängt schliesslich als interessantestes Portrait das Bild einer ehrgeizigen, schlauen, intelligenten und schönen Frau - Madame Nhu, die neben Präsident Diem jahrelang das Schicksal Süd-Vietnams beeinflusste. Sie war es, die der korrupten und schwankenden Armee eine Idee einhämmerte: den Kampf gegen den Kommunismus, und sie war es, die, trotz aller Fehler, Politiker und Journalisten in aller Welt begeisterte.
Äusserlich schien Madame Nhu den zartgliedrigen und heiteren vietnamesischen Frauentyp zu verwirklichen. Doch in fanatischem Veränderungsdrang impfte sie den Frauen ihres Landes Härte und Disziplin ein. Sie war Katholikin, kannte die Versuchung und bekämpfte sie, indem sie sie verbot: zum Beispiel den Jazz und amerikanische Tänze. Sie wollte ihr Land innerlich und äusserlich stärken für den Kampf gegen die Kommunisten.
Doch der Kampf gegen die Grausamkeit machte Madame Nhu selbst zu einer harten Frau. Sie sprach vom Barbecue der Mönche.
Sie fand unfreundliche Worte für die Opferbereitschaft der verbündeten Amerikaner.
Doch dann gebot das Schicksal der Selbstüberschätzung dieser Frau einen plötzlichen Einhalt. Das Regime ihrer Familie fiel einer Revolte zum Opfer. Verbittert, aber ungebeugt, klagte Madame Nhu die Urheber des Umsturzes an.
"To kill or to subdue is easy, but what will happen afterwards. The whole world has its eyes on Vietnam und knows perfectly well, what is going on there."
Auf die Grundzüge der antikommunistischen Politik dieser Frau wird auch das neue Regime unter General Duong Van Minh nicht verzichten können. Der Umsturz mag daher vielleicht auch ein wenig die Rebellion der Männer gegen eine sehr starke Frau gewesen sein.
Wir Männer, die wir im Schöpfungsplan an erster Stelle standen, müssen ratlos das Phänomen einer sich ständig verwandelnden Frau konstatieren. Einst in der Stille einer geordneten Häuslichkeit gefangen, hat sie sich von den vermeintlichen Fesseln befreit und die Bühne der Öffentlichkeit erobert. Sie macht ihren Einfluss von den Titelblättern der Illustrierten herab geltend und verbirgt ihre Machtgelüste gleichzeitig hinter einer Vielfalt von Masken und Verkleidungen, die bewundernswert und beängstigend zugleich ist. Ihre Stimme ist rauh und selbstbewusst geworden und strahlt in ihrer Tiefe einen beinahe männlichen Charme aus.
Die Frau als blosses Schaustück, als ästhetisches Phänomen ist nur noch ein Torso. Ihre körperliche Schönheit, ihre intimste Waffe im Kampf um das letzte Wort, hat an Bedeutung als heitere Arabeske in einer männlichen Welt verloren. Dafür sitzen die Frauen nun - so scheint es - an den Schalthebeln der Macht.
Den Männern bleibt nur, was die Frauen nicht mehr reizt. Doch gerade an den Schönheitskonkurrenzen lässt sich beweisen, wie sehr die Entwicklung gegen den Strich der Natur läuft. Was hier die Natur von sich aus formte, musste dort mühsam erarbeitet werden. Aber den Frauen dieses Jahres gefiel es. Wir fragten nach dem Warum:
"Diese Veranstaltung ist die einzige Möglichkeit, um wirklich schöne Männer zu sehen."
"Weil ich sie einerseits vom ästhetischen Standpunkt aus sehr gern habe und zweitens weil sie auch sehr viel sportliche Disziplin erfordern, genau wie eine andere Sportart."
"Sie zeigen wenigstens, dass sie andere Ideale gibt, als wie in die Kneipen oder sonst noch irgendwo herumzusitzen und sie haben auch dolle Körperprinzitatur."
"Diese Männer sind sehr schön, also ich finde das sehr fabelhaft, dass es sowas - eigentlich zur Schau getragen - dass die Schau - also dass sie sowas jetzt in die Schau getragen wird. Ich bin ganz begeistert davon."
Der Triumphzug der Frauen zu den Zentren der Macht vollzieht sich anscheinend unaufhaltsam. Und es bleibt uns nichts anderes übrig, als mit Wehmut jenes Bild zu bewahren, das uns noch immer das liebste ist: jene Frau, die wirkt, nicht indem sie etwas tut, sondern indem sie ist. Jener Frau, die verspielt ist, bezaubert, verzaubert und gelegentlich einen Hauch von Keuschheit und Tugend in die Welt trägt.
Doch freudig geben wir bekannt, dass uns die Frauen dieses Jahres auch Überraschungen bereiteten, auf die wir Jahrzehnte warten mussten: Gleich zweimal wurden Fünflinge geboren, sozusagen als brüllendes Argument gegen die Verherrlichung der Baby-Pille. Und damit haben wir erneut die Möglichkeit, aus unseren Frauen niemals klug zu werden.
"Ja, das Studium der Weiber ist schwer ..." "Ja, Ja, Ja!"