Sacherschließung
01. Bonn: Paraphierung des Grundlagenvertrages
Egon Bahr und Michael Kohl setzen sich an Tisch. Hinten großer Gobelin. Delegationsmitglieder sammeln sich hinter Bahr und Kohl. Beide unterschreiben gleichzeitig den Vertrag. Ein Teil des Vertrages mit dem Text: "Für die Bundesrepublik Deutschland und für die Deutsche Demokratische Republik." Darunter zwei Siegel. Kohl redet am Tisch sitzend O-Ton: "Die wahrscheinlich historische Bedeutung des Vertrages liegt darin, dass nach dem Transitabkommen und dem Verkehrsvertrag nunmehr eine umfassende, dauerhafte Grundlage dafür vorbereitet werden konnte, die Beziehungen zwischen den beiden voneinander unabhängigen Staaten mit ihrer gegensätzlichen Gesellschaftsordnung zu gestalten." Bahr redet am Tisch sitzend O-Ton: "Mein Dank gilt der Offenheit, der Sachlichkeit, die bei aller zuweilen unvermeidlichen Härte der Auseinandersetzungen gewahrt wurden und dem Willen zu konstruktiven Ergebnissen zu kommen. Wir verschweigen nicht, dass es in grundsätzlichen Fragen unüberbrückbare unterschiedliche Auffassungen gibt und auch weiter geben wird."
02. BRD: DGB-Prüfsteine
Brandt redet, groß, nah, O-Ton: "Das Regierungsbündnis von Sozialdemokraten und Freien Demokraten hat sich bewährt." Barzel redet, groß, nah, O-Ton: "Brandt hat versagt und ist gescheitert, meine Damen und Herren. Und wenn man's nicht kann, zugleich die Arbeitsplätze und den Geldwert sichern, dann sollen die Leute abtreten, die es nicht können und sollen die dranlassen, die bewiesen haben, wie es geht, meine Damen und Herren." Begeistertes Publikum: ein Junge aus dem Publikum hebt "Niedersachsen Zeitung" mit Barzel als Titelbild hoch. Neben Barzel steht Dieter Rollmann, beide halbtotal. Barzel umringt von CDU-Hostessen. DGB-Chef Vetter spricht über 8 DGB Prüfsteine zum Thema Wahlkampf, O-Ton: "Aus seiner Verantwortung für die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik hat der Deutsche Gewerkschaftsbund seinen Mitgliedern, ja, der gesamten Arbeitnehmerschaft, acht Prüfsteine an die Hand gegeben, damit sie in der Lage sind, die Parteien daraufhin zu prüfen, inwieweit sie bereit sind, die Interessen der Arbeitnehmerschaft zu verwirklichen." Ein Photo von Gustav Heinemann auf dem Tisch neben mehreren Fahnen. Die Hände von Vetter. DGB-Kongress im Juli. Vetter spricht O-Ton: "Versuche, die von außen her den Gewerkschaften vorschreiben, das sollt ihr tun und jenes nicht, sind in einer freien Gesellschaft abzuweisen. Wir setzen uns ein für die weitere Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft." Barzel und Brandt als Zuhörer, nur Köpfe. Brandt hält eine Papierrolle vor dem Mund. Georg Leber, nah, groß mit den Arbeitern in dem Bergwerk. Die Bilder von Ernst Abbe und Friedrich Naumann. Alte Bekanntmachung: "Vaterländischer Hilfsdienst". Alte Archivbilder von den Versammlungen in der Zeit der Weimarer Republik. Vetter spricht am Schreibtisch O-Ton: "Es geht uns dabei nicht nur um die gleichberechtigte Mitbestimmung in der Wirtschaft, um die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, um die gleichen Bildungschancen für unsere Kinder, sondern gleichermaßen auch um den Ausbau der Gesundheitsvorsorge und Gesundheitssicherung und um den Umweltschutz." Viele Tabakpfeifen vor ihm.
03. Hamburg: Bootsausstellung
Großer Scheinwerfer dreht sich. Schwenk im Ausstellungsraum: Motorboote, Segelboote. Eine maritime Antiquitätenausstellung. Moderne Schiffs- und Bootsausrüstung unter anderem Signalhorn, Schwimminsel. Mit einer auswechselbaren Pressgaspatrone ausgestatteter Schwimmkragen, der sich im Wasser selbst aufbläst. Der unsinkbare Bootsstiefel im Wasser schwimmend. Sicherheitssturmzündhölzer, Leuchkugelpatronen, Signalgeräte. Vollständiges Seenotrettungsset, total.
04. Köln: Mode für Vater und Sohn
Vater und Sohn haben Tweed-Sakkos an. Sie werden im Karussell vorgeführt. Oder sie haben kräftig gemusterte Caban-Jacken an. Kinder auf den Ponies mit Kunstlederjacken. Safari-Look-Anzüge für die Freizeit. Cord-Sakkos im Norfolk-Stil. Go-Kart Fahrt.
05. Berlin: Jazztage in Berlin
Musiker üben mit der Flöte, Baß und Trommel. Pierre Favre spricht O-Ton: "Die Berliner Jazztage bedeutet in erster Linie ein internationales Treffen von Musikern, früher Jazzmusikern, heute Musikern. Ja, ich glaube, dass jetzt in Europa hat jetzt eine Bewegung stattgefunden, wo man sehr gut die Wurzeln der europäischen Musik, sogar der klassischen Musik spürt, und ich glaube, die übrigen Musiker werden heute sehr mehr bewußt über sich selbst als früher, wo man einfach die erste Schallplatte kopiert hat." Indische Jazzmusiker. John Handy und Ali Akbar Khan beobachtet bei der Probe Don Cherry. Trompeter sitzend und spielend auf dem Teppich. Die Adern an Stirn und Schläfen werden beim Blasen dick. Georg Gruntz erzählt über die Konzeption der Jazztage O-Ton: "Ein Festival wie die Berliner Jazz-Tage sollte eigentlich immer, und was auch immer aus den Jazz-Tagen wird, soll immer ein Festival sein, dass erstens einmal dokumentiert, also man sollte die Möglichkeit schaffen, dass die Wurzeln des Jazz erkennbar bleiben, ein Festival, das informiert über neue Trends schlechthin und darüber vor allen Dingen aber auch ein Festival, auf dem experimentiert werden darf." Dave Brubeck, Gerry Mulligan und Paul Desmond spielen zusammen.
Herkunft / Inhaltsart
Paraphierung d. Grundvertrags
Kamera: Luppa
DGB-Prüfsteine (Barzel)
Kamera: Rieck, Ahsendorf
Bootsausstllg. in Hamburg
Kamera: Tietge
Mode für Vater und Sohn
Kamera: Rieck
Jazztage in Berlin
Kamera: Pahl, Rühe
Anfang und Ende
Gesamtlänge
Sprechertext
Dabei-Politik: Streitpunkte
'Paraphierung des Grundvertrages'
Nach über 60 Sitzungen und mehr als tausend Verhandlungsstunden durften sie sich gelassen geben: In Bonn paraphierten die Vertragsunterhändler Bahr und Kohl das Glanzstück ihrer politischen Arbeit- den Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, durch den die Politik des Ausgleichs mit dem Osten auf eine neue Basis gestellt wurde.
Dr. Kohl: 'Die wahrscheinlich historische Bedeutung des Vertrags liegt darin, dass nach dem Transit-Ab-kommen und dem Verkehrsvertrag nunmehr eine umfassende, dauerhafte Grundlage dafür vorbereitet werden konnte, die Beziehungen zwischen den beiden voneinander unabhängigen Staaten mit ihrer gegensätzlichen Gesellschaftsordnung zu gestalten.'
Staatssekr. Bahr: 'Mein Dank gilt der Offenheit, der 'Sachlichkeit, die bei aller zuweilen unvermeidlichen Härte der Auseinandersetzungen gewahrt wurden und dem Willen zu konstruktiven Ergebnissen zu kommen. Wir verschweigen nicht, dass es in grundsätzlichen Fragen unüberbrückbare unterschiedliche Auffassungen gibt und auch weiter geben wird.'
'Sozialpolitische Forderungen des DGB in Form von 'Prüfsteinen'.
Bundeskanzler Brandt: 'Das Regierungsbündnis von Sozialdemokraten und Freien Demokraten hat sich bewährt.'
Dr. Barzel:' Brandt hat versagt und ist gescheitert, meine Damen Und Herren. Und wenn man's nicht kann, zugleich die Arbeitsplätze und den Geldwert sichern, dann sollen die Leute abtreten, die es nicht können und sollen die dranlassen, die bewiesen haben, wie es geht, meine Damen und Herren.'
Polarisierung, auffallendes Kennzeichen beim Kampf um die Macht am Rhein. In der heissen Phase verdrängten die Kontrahenten oft ihre Argumente zugunsten bewährter Phrasen. Dennoch: Der Wahlkampf' '72 gehörte zu den politischsten. Wähler, Verbände, Kirchen und Gewerkschaften engagierten sich mehr denn je für Politik.
DGB-Chef Vetter: 'Aus seiner Verantwortung für die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik hat der Deutsche Gewerkschaftsbund seinen Mitgliedern, ja, der gesamten Arbeitnehmerschaft, acht Prüfsteine an die Hand gegeben, damit sie in der Lage sind, die Parteien daraufhin zu prüfen, in wieweit sie bereit sind, die Interessen der Arbeitnehmerschaft zu verwirklichen.'
Schon auf dem DGB-Kongress im Juli dieses Jahres verteidigte DGB-Chef Vetter das Recht auf Stellungnahmen zur aktuellen Politik:
'Versuche, die von aussen her den Gewerkschaften vorschreiben, das sollt ihr tun und jenes nicht, sind in einer freien Gesellschaft abzuweisen. Wir setzen uns ein für die weitere Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.'
Ein Blick in die Geschichte motiviert den Anspruch. Schon 1890 kämpften Arbeitsausschüsse für die Mitbestimmung. Zunächst für Lohn und Schutzmassnahmen. Ernst Abbé und Friedrich Naumann waren Vorkämpfer um die Jahrhundertwende.
Im ersten Weltkrieg wurden Arbeiter-Ausschüsse in Betrieben von mindestens 50 Arbeitern gebildet. Die Weimarer Verfassung erkannte betriebliche Mitbestimmung an. Das Ziel, soziale Gerechtigkeit, gilt auch heute - und nicht nur in Wahlkampfzeiten.
'Es geht uns dabei nicht nur um die gleichberechtigte Mitbestimmung in der Wirtschaft, um die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, um die gleichen Bildungschancen für unsere Kindern, sondern gleichermassen auch um den Ausbau der Gesundheitsvorsorge und Gesundheitssicherung und um den Umweltschutz.'
Dabei-Schiffahrt: Hilfe bei Seenot
Freizeit auf dem Wasser. Auf der Internationalen Bootsausstellung in Hamburg signalisierten Umsatzrekorde den neuen Trend: Immer mehr Bundesbürger entdecken den Freizeitwert von Wasser, Wind und Wellen und nutzen ihren Sparvertrag für eine Ferienwohnung zum Kauf eines Motorbootes oder einer Segelyacht. Der Verkaufsboom in Hamburg überraschte auch die Boots-Industrie: durch den Käuferansturm verlängerten sich die Liefertermine für besonders begehrte Modelle auf zwei Jahre. Eine maritime Antiquitäten-Messe und ein attraktives Ausrüstungsangebot hatten den Appetit potentieller Freizeit- Kapitäne uusätzlich angereizt.
Sicherheit an Bord war Teil des Hamburger Messeprogramms. Denn die Zahl der leichtsinnigen, schlecht ausgerüsteten Bootseigner ist rapide gestiegen. Seenotrettungsschiffe mussten allein im letzten Jahr 800 Wassersportler in der Ost- und Nordsee bergen. Der mit einer auswechselbaren Pressgas-Patrone ausgestattete Schwimmkragen, der sich im Wasser selbst aufbläst, gehört zur Seenotausrüstung, die zwar Mehrkosten verursacht, aber unerlässlich ist.
In Hamburg erstmals vorgestellt: der unsinkbare Bootsstiefel. Ihn braucht man im Gegensatz zu früheren Modellen nach dem Kentern im Wasser nicht mehr abzustreifen.
Wer auf See sein Leben nicht riskieren will, konnte sich auf der grössten maritimen Trockenschau der Welt einen vollständigen Seenot-Set zusammenstellen.
Dabei-Mode: Vater und Sohn
Deutschlands männlicher Nachwuchs bricht mit der Mansgrau-Mode der Väter. Die Zehn- bis Vierzehnjährigen sind modebewusst und anspruchsvoll geworden. Sie wollen haben, was der ältere Bruder trägt: Zum Beispiel den sportlich geschnittenen Tweed-Sakko oder die kräftig gemusterte Caban Jacke - ein Renner auf dem stark expandierenden Markt für Kindermode. Der Twen und jung gebliebene Mann sieht sich vom kleinen Brader eingeholt: Partner-Look für die Herbst- und Wintersaison.
Spertliche Kunstleder-Jacken: sie sin im Kommen.
Knapp geschnittene Anzüge im Safari-Look für den Freizeit-Bummel - inspiriert vom klassischen Coat aus England.
Cord bleibt bevorzugtes Material: ein Sakko mit Blasebalgtaschen im Norfolk-Stil. Preiswert, bequem und strapazierfähig: der Parka mit Ausknöpffutter in Segeltuch oder Cord mit Kragen aus imitiertem Pelz. Die Knabenmode von einst scheint endgültig passé. Der Trend geht zur Erwachsenen-Mode- schon in dieser Herbstsaison. Mehr Aufwand, bessere Verarbeitung und Qualität kennzeichnen die neue Kindermode.
Dabei-Musik: Jazztage Berlin
Berliner Jazztage - ein Festival, das auch im neunten Jahr seines Bestehens seinem Ruf gerecht wurde, das neben Newport 'wichtigste Jazz-Ereignis der Welt zu sein.'
Die Gewichte aber haben sich verschoben: Noch nie war der Jazz so unabhängig von den USA wie haute. Noch nie spielten so viele europäische Musiker in Berlin wie in diesem Jahr. Einer von ihnen, Pierre Favre aus der Schweiz.
'Die Berliner Jazztage bedeutet in erster Linie ein internationales Treffen von Musikern, früher Jazz-Musikern, heute Musikern, Ja, ich glaube, dass jetzt in Europa hat jetzt eine Bewegung stattgefunden, wo man sehr gut die Wurzeln der europäischen Musik, sogar der klassischen Musik spürt, und ich glaube, die übrigen Musiker werden heute sehr mehr bewusst über sich selbst als früher, wo man einfach die erste Schallplatte kopiert hat.'
Das zweite wichtige Element: die Verschmelzung orientalischer und afrikanischer Musikelemente mit den traditionellen Stilen und Spielweisen des Jazz. 'Jazz meets India' mit John Handy und Ali Akbar Khan, beobachtet während der Probe.
Don Cherry, früher einer der bedeutendsten Trompeter des Neuen Jazz, heute einer der überzeugten Verfechter des Afro-Indian-Sound im Jazz.
Nach der Konzeption der Jazztage fragten wir seinen künstlerischen Leiter, Georg Gruntz :
'Ein Festival wie die Berliner Jazz-Tage sollte eigentlich immer, und was auch immer aus den Jazz-Tagen wird, soll immer ein Festival sein, dass erstens einmal dokumentiert. also man sollte die Möglichkeit schaffen, dass die Wurzeln des Jazz erkennbar bleiben, ein Festival, das informiert über neure Trends schlechthin und darüber vor allen Dingen aber auch ein Festival, auf dem experimentiert werden darf.'
Näher bei den Traditionalisten des Jazz als bei den experimentierenden Avantgardisten: Dave Brubeck, zum ersten Mal mit Gerry Mulligan und Paul Desmond.
Personen im Film
Abbe, Ernst ; Bahr, Egon ; Barzel, Rainer Candidus ; Brandt, Willy ; Brubeck, Dave ; Cherry, Don ; Desmond, Paul ; Favre, Pierre ; Gruntz, Georg ; Khan, Ali Akbar ; Kohl, Michael ; Leber, Georg ; Mulligan, Jerry ; Naumann, Friedrich ; Rollmann, Dieter ; Vetter, Heinz Oskar
Orte
Hamburg ; BRD ; Bonn ; Berlin
Themen
Sachindex Wochenschauen ; Innenpolitische Veranstaltungen ; Musikalische Veranstaltungen ; Musikinstrumente ; Technik ; Tiere (außer Hunde) ; Kraftfahrwesen, Kraftfahrzeugwesen ; Kunst ; Wahlen ; Mode ; Ausstellungen ; Gewerkschaften ; Technik ; 17 Findbuch Ufa Wochenschau Ufa dabei
Gattung
Wochenschau (G)
Genre
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