Sacherschließung
01. Hamburg. Gedächtnis-Ausstellung im Ernst-Barlach-Haus. - Das Ernst-Barlach-Haus im Jenischpark, halbtotal und in Detailaufnahmen, u.a. mit Aufschrift. Besucher vor Bildern, total. - Barlach-Selbstportrait, groß. - Jg. in Katalog lesender Mann neben Skulptur (lesende Gestalt) sitzend, blickt dann langsam auf, nah. Dieselbe Skulptur, groß, Transfokator-Heranfahrt an d. Gesicht. Div. Groß-, Total-, Detail- u. Transfok. -Einstellungen von im Dunkel angestrahlten Skulpturen: "Gesetzgeber Moses", "Gott vater", "Das Wiedersehen". Schwenk über obere Hälften von nebeneinander aufgereihten Skulpturen. Mehrere reinst, der Figur eines Kriegers mit erhobenem Schwert, zusammengekrümmte Gestalt mit Leidensgesicht. -
02. Berlin. Allerheiligen: Gedenktag der Lebenden u. der Toten. - Archivaufnahmen Mauerbau und Mauer, Abwärtsschwenk von Kirchturm hint. Mauer auf Maueraufschrift "Intyrannos", groß. Gedenkstätte vor Friedhofsmauer. Vopo patrouilliert zwischen Gräberreihen, ältere Frauen bei Grabpflege unter Aufsicht von Vopos. vopos unterhalten sich mit alt. Herrn, halbnah. Lange Einst. patrouillierender Vopo auf Friedhof, nah. Mütze eines hinter Mauer gehenden Vopo-Postens. Heiligenstatue an Kirchenwand (Mose?), nah. Mauer mit gr. "KZ"-Buchstaben, lange Mauer, seitl., bildf.
03. Spiegel-Fechtereien
Prof. Eugen Kogon zw. Gesprächspartnern am Tisch sitzend, spricht kurz (O-Ton), gr. - Aufschrift "Gefängnisbehörde" an Gebäudewand, gr. - uiv. Einst. des Hamburger Untersuchungsgefängnisses, Transf. -Heranfahrt an Fenster. Teil des Spiegel-Verlagshauses mit Aufschr. "Der Spiegel", "Spiegel"-Titelblatt mit Augstein-Foto, gr. Strauß telefonierend, front., groß, Stammbergen am Schreibt. sitzend, groß. - Verlagsgebäude halbtot. und im Ausschnitt. - Werbeplakate für Vorlesung i. d. Uni weg. Spiegel-Affäre an d. Straße. Transparente, u.a. mit Aufschr. "Uns. Rechtsstaat ist in Gefahr" werden von einigen Demonstranten durch Straße getragen. - Diskussionen bei Versammlung der "Gruppe 47" im Freien, einige Sprechende, groß, Versammlung total. -
Zerstörte Bänke im Hörsaal B der uni, Polizisten treten in den Hörsaal ein, nah. Aufsicht auf Studenten-Gewimmel, unter das Zettel verteilt werden, Polizisten bahnen sich Weg durch die stehende Menge, gehen hinaus, Von Studenten gehaltene Transparente, groß u. nah (u.a. "Es lebe die deutsch-span. Freundschaft!" "Auf zum totalen Rechtsstaat!" - "Spiegel müssen klirren für den Sieg" - "Der Spiegel tot die Freiheit tot!". Der angeheiterte Heizer der Uni bittet durchs Mikrofon um Ruhe (O-Ton - s. Spr.-Text). Ein Student verkündet ergebnislos: "Die Versammlung ist geschlossen!" Innensenator Helmut Schmidspricht von Bühne herab durch Megafon zu den Studenten (O-Ton - s. Sprechertext), neben ihm Herm. : Rockmann mit Handmikrofon. Die Studenten applaudieren, student verkündet durch Megafon: "Morgen, 20. 00 Uhr, Audimax!"
Versammlung im Audimax, total, mit Politikern u. Publizisten auf der Bühne, im Halbkreis sitzend, mit Namensschildern vor sich. - Verlagsleiter Detlev Beckers, frontal groß. Landahl hält Ansprache (O-T. -s. Spr. -Text). Zuhörd. una applaud. Studentinnen, nah. Ulrich Lohmar eröffnet Diskussion (s. Sprechertext). Es folgt Meinungsverschie denheit zw. Henry Nannen und Prof. Kogon Fröhl. Gelächter auf Podium und lachende + applaudierende Hörerschaft, bildf. - Wieder Lohmar (" ... ein bißchen zu dünn"), Kogon ("Manchmal, Herr Lohmar, erscheint es mir ... "), als letzter Dr. Wilhelm Witten. Junge Studentin, groß. Blick von Saal auf Bühne (m. Kameraleuten), total. Applaudierendes Publikum.
Transfokator-Heranfahrt an Fenster des UG. Statue der Göttin "Justitia" vor Wandnische eines Gerichtsgebäudes, groß.
Herkunft / Inhaltsart
Anfangsmarke 7 m
Ernst Barlach-Haus, Hamburg
Kamera: Rau
Allerheiligen in Berlin, Grabpflege unter Vopo-Aufsicht in Berlin an der Sektorengrenze
Kamera: Pahl sen., Pahl jun.
Spiegel-Aktion (Hamburger Nachrichtenmagazin)
Kamera: Seib, Rau, Jürgens, Rieck, Oelsner, Starke, Luppa
(Gruppe 47 z. Spiegel)
Kamera: Pahl jun.
Endemarke 3,1m
Sprechertext
In memoriam
Im Hamburger Jenischpark wurde jetzt für alle Kunstfreunde ein neuer Ort der Besinnung und der Beschaulichkeit geschaffen: Das Ernst-Barlach-Haus In diesem Gebäude hat das Gesamtwerk des großen deutschen Bildhauers, Grafikers und Dichters eine ständige Heimstatt gefunden. Ernst Barlach, dessen Werk im dritten Reich verfemt und geächtet war, ist einer der bedeutendsten Schöpfer expressionistischer Bildhauerei. In seinen Plastiken strebt er die Verbindung strenger Formen mit starken Ausdruckswerten der Bedrückung, der Innigkeit oder des elementaren Ausbruchs an.
Der Gesetzgeber Moses - Gott Vater - Das Wiedersehen - Der Pries der "Lauschenden" - Der große ungebundene Schwung der Linien und die ausserordentliche Vereinfachung deuten bei Barlach auf einen Formwillen hin, der nach einem Wort Thomas Manns über das Nur-Künstlerische hinaus will. Er wollte Erkenntnis werden.
An der Mauer
Nach dem Einlenken Chruschtschows auf Kuba ist Berlin fast völlig aus offiziellen Äusserungen verschwunden. Die Erregung der Welt über den widerrechtlichen Bau der Mauer ist längst eingemündet in einen trügerischen Ruhezustand, der alles andere als normal ist. Doch wie schnell wird das Abnorme an Orten wie in der Bernauer Strasse zum Gewohnten. - Wo in der Welt, ausser in Berlin, gibt es Kirchhöfe, auf denen mitten im Frieden Soldaten mit schußbereiten Maschinenpistolen patrouillieren? Auf dem Friedhof an der Bernauer Strasse kann man an kirchlichen Feiertagen, zum Beispiel erst kürzlich an Allerheiligen, beobachten, wie jenseits der Mauer Ost-Berliner unter strenger Bewachung die Gräber ihrer Angehörigen und Freunde pflegen, - Die Wachsamkeit der Diktatur reicht bis an die Ruhestätten der Toten. Dabei rühmte sich die SED erst vor kurzem des Erfolges bei der Umerziehung der Christen zu Atheisten. Gerade in diesen Tagen sollten wir eines nicht vergessen: wann immer und wo auch immer von Freiheit und von der Bewahrung der Freiheit geredet wird, hier an der Mauer ist sie immer und zuallererst in Gefahr.
Spiegel-Fechtereien
"Objektivität bis zum Äussersten" ... forderte Prof. Eugen Kogon anlässlich der Verhaftung von vier Spiegel-Journalisten, die nach einer überraschenden und umstrittenen Festnahme-Aktion im Hamburger Untersuchungsgefängnis ein gerichtliches Verfahren wegen Landesverrats erwarten. Das Nachrichten-Magazin der Spiegel, sein Herausgeber, der 39-jährige Rudolf Augstein, Bundesverteidigungs-Minister Franz-Josef Strauß und Bundes justiz-Minister Stammberger stehen seitdem im Mittelpunkt von Diskussionen, die mit mehr oder weniger drastischen Mitteln sogar auf der Strasse geführt werden.
In diesen Tagen, in denen die Angst vor einem totalen Rechts-Staat, aber auch die Angst vor einem totalen Links-Staat suggeriert wurde, gingen die Meinungen auseinander. Zu den denkwürdigsten Verlautbarungen zählt dabei eine Resolution der Gruppe 47, die mit literarischen Formulierungen politischen Schwachsinn verkündete. Sie erklärte den militärischen Geheimnisverrat zur sittlichen Pflicht.
Mit demolierten Bänken im Hörsaal B der Hamburger Universität, endete eine Veranstaltung, die als Podiumsdiskussion gedacht war und durch das Eingreifen der Polizei vor einem Chaos bewahrt wurde. An diesem Abend traten nicht gerade zum Ansehen der hier versammelten Mehrheit einige entscheidende Irrtümer auf. Man verwechselte Demokratie mit Tumult, den Spiegel mit der Freiheit und die Universität mit einem Sport-Palast.
Unter denjenigen, die sich um Ruhe und Ordnung bemühten, trat der offensichtlich angeheiterte Heizer des Universitäts-Gebäudes mit besonderer Eindringlichkeit hervor," Hallo! Ich bitte meine lieben Hamburger und Fremde ... hallo! Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe! Benehmt euch nicht aus Erregung über die Spiegel-Affaire, sondern benehmt euch hier im Kreise von Menschen. Aus! Laßt uns doch mal erst reden !!!" - "Die Versammlung ist geschlossen! Die Versammlung ist geschlossen!" - "Ruhe! "Erst dem Hamburger Innensenator Helmut Schmid gelang es, die Menge zu beschwichtigen." Ich möchte Ihnen versichern, dass der Hamburgsche Senat fest entschlossen ist, in keiner Weise zuzulassen, dass aus irgendeinem Einzelfall eine generelle Beeinträchtigung der Presse oder eine generelle Beeinträchtigung der rechtlichen Situation der Presse, oder der Pressefreiheit in umfassendsten Sinne hergeleitet wird." ... "findet statt, morgen 20 Uhr Audi-Maximum." ... "Morgen 20 Uhr Audi-Max ... "
Die Diskussion war nicht zustande gekommen. Einen Tag später wurde sie im Auditorium-Maximum mit einer Reihe bekannter Politiker und Publizisten nachgeholt. Unter ihnen befand sich noch der inzwischen ebenfalls verhaftete Verlagsleiter des Spiegels, Detlev Becker. Senator Landahl mahnte zur Besinnung. "Diese Empfindlichkeit - die sich jetzt in unserem Volke zeigt - setzt aber voraus, dass Sie nun heute abend den Sinn und Zweck einer solchen Veranstaltung auch ermöglichen." Die politischen Kernsätze der Diskussion hörten sich so an:
"Ich meine, es ist klar und notwendig, dass der deutsche Bundestag einen Untersuchungsausschuß in dieser Frage einsetzt, um uns allen zu der wünschenswerten Klarheit zu verhelfen und um die Grundsätze des Rechtsstaates durchzusetzen. "Man muss ein Fieber erregen, ein sogenanntes heilendes oder reinigendes Fieber. Nun erregen Sie mal in dieser Bundesrepublik ein Fieber." "In Deutschland finden Demonstrationen aus diesem Anlaß statt. Also entschuldigen Sie, es ist doch eine enorme Aktivität in diesem Falle festzustellen. Wie kommen Sie dazu, zu sagen, es gäbe keine Oppositionsneigung ..." - "Ja, hier schon, aber im Bundestag nicht!" - "Mir ist also für die Definition der Opposition in Deutschland sozusagen die Bild-Zeitung für Intellektuelle wie sie der Spiegel ist - ein bißchen zu dünn ... ein bißen zu dünn." - "Manchmal, Herr Lohmar, scheint es mir doch notwendig zu sein, dass auch die Opposition ein wenig lebhafter würde." - "Aber die Frage, meine Damen und Herren, ist wirklich an die Journalisten gestellt, wenn man sich darüber klar ist, dass man dieses Verantwortungsbewußtsein, bei allem was man tut, abmessen muß, an dem was man beabsichtigt zu schreiben, oder zu veröffentlichen, dann brauchte es möglicherweise zu einer solchen Diskussion wie hier nicht gekommen zu sein."
Über alle politischen Diskussionen und Verfahrensfragen hinaus bleibt der Vorwurf des Landesverrats. Ob er zu Recht besteht, darüber wird Justitia entscheiden.
Personen im Film
Becker, Detlev ; Kogon, Eugen ; Landahl, Heinrich ; Lohmar, Ulrich ; Nannen, Henry ; Rockmann, Hermann ; Schmidt, Helmut ; Stammberger ; Strauß, Franz Josef ; Witten, Wilhelm
Orte
Hamburg ; Berlin ; Bonn
Themen
Sachindex Wochenschauen ; Demonstrationen ; Grenze DDR/BRD, Grenzen ; Justiz ; Kinderbetreuung, Erziehungsprobleme ; Erziehung, Jugend ; Plakate, Schriften, Transparente ; Politische Veranstaltungen ; Polizei ; Reklame ; Religiöse Veranstaltungen ; Bauwerke ; Kunst ; Kunstwerke ; Ausstellungen ; Gedenktage, Jubiläen, Geburtstage ; Zuschauer und Publikum ; 14 Findbuch Neue Deutsche Wochenschau Zeitlupe
Gattung
Wochenschau (G)
Genre
Wochenschau