Sacherschließung
Prag ruft nach Freiheit
Junge Tschechen mit Fahnen auf LKW.
München
Leute geben Unterschriften als Protest gegen den russischen Einmarsch in die CSSR.
Bad Godesberg
Protestversammlung mit Plakaten. Willy Brandt spricht O-Ton, groß, zur Lage in der CSSR. "Die Auseinandersetzung um die Tschechoslowakei ist keine Auseinandersetzung zwischen Ost und West, sondern im politischen Kern eine Auseinandersetzung innerhalb der kommunistischen Welt. Zum anderen muss man wissen, dass unsere Sicherheit in keiner Weise beeinträchtigt ist, sondern dass jene Gebiete, die im westlichen Verteidigungsbündnis, das Atlantische Bündnis, zuzuzählen sind, sich so sich er fühlen können wie auch in der Vergangenheit."
London
Protestversammlung. Transparente und Plakate.
Paris
Trauerflor am Zaun der tschechischen Botschaft in Paris. Studenten und Arbeiter demonstrieren.
Den Haag
Holländer mit umgehängten Plakaten stehen vor der Sowjetbotschaft.
Bukarest
Massenversammlung von Hunderttausenden. Klatschen. Staatschef Ceausecsu spricht O-Ton zu den Massen von Balkon. Massen von Zuhörern, bildfüllend.
Belgrad
Tschechische Urlauber auf Campingplatz. Sie bewohnen nach Ausbruch der Krise Eisenbahnwaggons und Zelte. Ausgabe von Lebensmitteln und Arzneimitteln.
Rotterdam
Urlauber aus der CSSR und Arbeitende Tschechen in Holland treffen sich. Weinende Frau.
München
Tschechischer Urlaubsbus. Tschechische Urlauber vor Heimkehr in ihr Land. Zwei Frauen verabschieden sich weinend. Tschechen geben Interviews vor Abfahrt, O-Ton: "Dass sowas im 20. Jahrhundert passieren kann, ist unglaublich. Für die Russen, das habe ich von ihnen nicht erwartet. Ich kann nichts mehr machen halt, dass wir alle zusammenhalten. Das ist das einzige, was man machen kann und ruhig verhalten. Mächte liebsten hierbleiben, aber ich habe die Kinder zu Hause."
Prag I und II
Panzer in den Straßen von Prag. Leute beschimpfen Besatzungssoldaten. Hakenkreuze auf den Panzern. Leute umdrängen Panzer und sprechen mit Soldaten. Junge Leute beschimpfen Panzersoldaten. Russische Soldaten gehen mit vorgehaltenen Gewehren durch Straße und treiben Leute zur Seite. Junge Männer schwenken tschechische Fahnen. Benzinkanister an Panzer werden angezündet, groß. Straßensperren. Sich drehender Panzerturm, groß. Leute flüchten. Verwundeter wird auf Bahre abtransportiert. Blutgetränkte Fahne. 2 Tote unter CSSR Fahnen. Zusammengefahrener Bus. Verkehrskreuzung von oben mit Straßensperren, Straßenbahn und Panzer. Panzer fährt Bäume um. Brennendes Haus. Brennender LKW. Schüsse. Explosion. Brennender Panzer. Gedenkstätte für Toten auf der Straße. Junge Frau legt Blumen unter Kreuz nieder.
Herkunft / Inhaltsart
Tschechoslowakei
Prag Ruft Nach Freiheit
Kundgebung in München
Kamera: Rau
Demonstration in Bad Godesberg
Kamera: Luppa
Willy Brandt zur Lage i. d CSSR
Kamera: Luppa
Demonstration in London
Herkunft: Pathe News
Demonstration in Frankreich
Herkunft: Eclair, Pathé Journal
Demonstration in Holland
Herkunft: Polygoon
Demonstration in Bukarest
Herkunft: Sahia
Demonstration in Belgrad
Herkunft: Novosti
Demonstration in Rotterdam
Herkunft: Polygoon
Tschechische Touristen a. d. Grenze
Kamera: Rau
Prag I und II
Kamera: Lippl
Herkunft: Austria, Vis News, Fox
A und E
Gesamtlänge
Sprechertext
Prag ruft nach Freiheit
"Protestieren Sie gegen den Überfall auf die CSSR mit Ihrer Unterschrift. Verurteilen Sie die Methoden, mit denen Moskau, Ost-Berlin und ihre Freunde hier in der CSSR gearbeitet haben."
Enttäuscht und empört reagierten die Menschen in der Bundesrepublik auf die Besetzung der Tschechoslowakei Außenminister Brandt warnte jedoch davor, den Konflikt zwischen reformfreudigen und orthodoxen Kommunisten in eine weltweite Krise umzudeuten.
"Die Auseinandersetzung um die Tschechoslowakei ist keine Auseinandersetzung zwischen Ost und West, sondern im politischen Kern eine Auseinandersetzung innerhalb der kommunistischen Welt. Zum anderen muß man wissen, daß unsere Sicherheit in keiner Weise beeinträchtigt ist, sondern daß jene Gebiete, die im westlichen Verteidigungsbündnis, das Atlantische Bündnis, zuzuzählen sind, sich so sicher fühlen können wie auch in der Vergangenheit."
In den Hauptstädten der Welt protestieren die Menschen immer noch gegen das gewalttätige Vorgehen der Sowjetunion. In London forderten hunderte von Demonstranten den Abzug der Besatzungstruppen.
Eine Trauerschleife am Tor der Pariser CSSR-Botschaft bekundete die Sympathie der Franzosen mit der Politik Prags. Arbeiter und Angestellte protestierten mit einer fünf-minütigen Arbeitsniederlegung, die Studenten-Union mit einer Demonstration gegen den sowjetischen Imperialismus.
In Den Haag mußte Polizei die russische Botschaft vor Demonstranten schützen. Auf Plakaten stimmten die Holländer für Parteichef Dubcek und gegen den Altstalinisten Novotny.
Bukarest, inzwischen selbst in das Spannungsfeld sowjetischer Drohungen geraten, erlebte die größte Kundgebung. Vor mehr als 100.000 Rumänen verurteilte Parteichef Ceausescu den Einmarsch der russischen polnischen, bulgarischen, ungarischen und mitteldeutschen Truppen als Verletzung der Souveränität eines freien sozialistischen Staates. Das Recht auf Unabhängigkeit, so forderte er, müsse auch für die Staaten des Warschauer Pakts Grundlage politischer Zusammenarbeit bleiben.
Unsicher und ratlos warten etwa 50.000 Tschechoslowaken im Ausland auf ein Ende der Besetzung. In Belgrad werden tschechoslowakische Urlauber, die nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen, auf Campingplätzen und in Eisenbahnwaggons untergebracht. Ein Informationsdienst ärztliche Betreuung und die Ausgabe von Nahrungsmitteln sind für die Jugoslawen selbstverständliche Hilfeleistungen.
Rotterdam ist Treffpunkt für die Tschechoslowaken, die in Holland arbeiten oder Ferien machen. Holländische Demonstranten bieten moralische, ein Komitee materielle Unterstützung.
In München nahmen tschechoslowakische Touristen Abschied von ihren deutschen Freunden und Verwandten. Kurz vor ihrer Rückreise in die CSSR fragten wir einige von Ihnen nach ihren Ansichten zu den Ereignissen:
"Dass sowas im 20. Jahrhundert passieren kann, ist unglaublich. Für die Russen, das habe ich von ihnen nicht erwartet. Ich kann nichts mehr machen halt, daß wir alle zusammenhalten. Das ist das einzige, was man machen kann und ruhig verhalten. Möchte am liebsten hierbleiben, aber ich habe die Kinder zu Hause."
Ein Ereignis, das als Schande für den Sozialismus in die Geschichte eingehen wird - nannte Radio Prag die Invasion der CSSR. Die erst wenige Wochen zuvor in Cierna und Bratislava bestätigte nationale Unabhängigkeit und territoriale Integrität erwies sich beim Auftauchen der ersten Panzer als die altgewohnte, aber sinnentleerte Formel sowjetischer Politik. Für die Tschechoslowaken glicb der Einmarsch der Sowjets dem Einfall der Hitlerarmee vor 30 Jahren. Im Gegensatz zu damals aber kämpften die jungen Tschechen und Slowaken diesmal fast nur nach den Methoden des passiven Widerstandes. Immer wieder versuchten sie, den Besatzungstruppen die Sinnlosigkeit ihrer Aktion und die Bedeutung des Reform-Kommunismus klarzumachen.
In weniger als 2 3/4 Stunden hatten 250.000 Mann die Nervenzentren der Tschechoslowakei besetzt. Unter den Truppen befanden sich auch zwei Divisionen aus der DDR. Ulbricht, bei seinem Dubcek-Besuch noch ausgepfiffen, nahm seine Revanche.
Doch schon am ersten Tage verkehrten sich die Fronten: aus den Gejagten wurden Jäger, aus den Bedrohten - Meister des passiven Widerstandes.
Reservetanks wurden entzündet.
Panzer verloren eine Schlacht.
Als die ersten Schüsse fielen, erinnerte die Szenerie schlagartig an 1953 und 1956, an den Aufstand gegen die Gewalt in Ost-Berlin und Ungarn. Diese Szenen aus dem Prag 1968 sind um die Welt gegangen. Sie sind ein erneuter Beleg dafür, daß sowjetische Toleranz dort aufhört, wo sie anfängt, sowjetische Machtpolitik zu berühren.
Die Tage des Widerstandes werden das Bewußtsein der Bürger in der CSSR sicherlich stärker prägen als die erzwungenen Kompromisse auf den Moskauer Konferenzen. Ein Kommuniqué kann den Mut zum Widerstand nicht brechen, der Wille zur Freiheit ist nur schwer reglementierbar.
Personen im Film
Brandt, Willy ; Ceausescu
Orte
Belgrad ; München ; Bad Godesberg ; London ; Paris ; Den Haag ; Bukarest ; Rotterdam ; Prag ; Bonn
Themen
Sachindex Wochenschauen ; Demonstrationen ; Interviews ; Fahnen ; Unruhen ; Waffen ; Arbeitslose, Arbeitslosigkeit ; 14 Findbuch Neue Deutsche Wochenschau Zeitlupe
Gattung
Wochenschau (G)
Genre
Wochenschau