01. (231) Offene DDR Grenzen
Berlin am 9. November 1989. Menschenmenge am Brandenburger Tor. Menschen schlagen Stücke aus der Berliner Mauer. Autos fahren durch offene Grenzübergänge in Berlin. Jubel und Begrüßung von DDR-Leuten an den Grenzübergängen. Autokonvoy und Fußgänger. Freudentränen.
Rückblick schwarz-weiß: Berlin, 13. August 1961: Mauerbau. Flüchtende. Frau läßt sich aus Fenster hinunter. Mauerflüchtlinge. Gedenkstein für die Toten der Mauer.
Statements mit DDR Bewohnern - "Es ist unfassbar"!"
Beleuchtetes Schönberger Rathaus. Momper begrüßt O-Ton. Genscher spricht O-Ton.
Mauereröffnungen werden gebrochen. Momper trifft am Potsdamer Platz seinen Amtskollegen aus Ostberlin.
Die Westberliner Innenstadt drangvoll überfüllt. Lange Schlangen vor den Wechselstuben für Begrüßungsgeld. Andrang auf den Straßen. Bundeskanzler Kohl gibt vor der Presse eine Erklärung ab, O-Ton.
(231 m)
02. Bundeskanzler Helmut Kohl in Polen
Deutsche Fahnen in Warschau. Flugzeug rollt aus. Kohl kommt Flugzeugtreppe hinunter. Kohl schreitet mit Regierungschef Tadeusz Mazowiecki Front der Ehrenformation ab. Gespräche. Kranzniederlegung von Kohl an Gedenkstätte für KZ Auschwitz. Gemeinsamer Gottesdienst in Kreisau. Kohl geht durch Menge.
Umarmung Kohl - Mazowiecki. Helmut Kohl spricht Worte der Versöhnung O-Ton.
Kohl und Mazowiecki unterschreiben gemeinsame Erklärung.
Abschied auf Flugplatz. Kind bringt Blumen. Händedruck Kohl - Mazowiecki.
(126 m)
01. Offene DDR-Grenzen
Berlin am 9. November 1989. Ein Datum, das Geschichte machte, denn an diesem Tag öffnete sich die Berliner Mauer. Das Symbol für die Teilung Deutschlands und Europas ist plötzlich überflüssig geworden.
Wo Stunden zuvor noch die am schärfsten bewachte Grenze der Welt verlief, feierten Zehntausende ein Freudenfest. Nach 28 Jahren hermetischer Abriegelung hatte die Bevölkerung in der DDR von ihrer Regierung die Reisefreiheit erkämpft.
Durch die offenen Grenzen strömten immer mehr Menschen, Tausende, Millionen. Für fast alle war es daserste Mal, daß sie in den Westen durften. In West-Berlin und in der Bundesrepublik wurden sie mit Jubel begrüßt.
Der Konvoi der DDR-Autos riß nicht ab, aber noch mehr kamen zu Fuß. Es waren nur ein paar Meter von Ost- nach West-Berlin, doch für fast alle, für Familien, für Freunde, bis zu diesem Tag unüberwindbar. Die Mauer, dieses absurdeste Bauwerk der heutigen Welt, jetzt hat sie Löcher. Und als wäre es nur ein schöner Traum, kamen alle, um sich zu überzeugen, daß es Wirklichkeit ist.
Überwältigend war für viele dieser langersehnte Augenblick, von dem etliche nicht mehr glaubten, daß er noch einmal kommen würde. In diesem Moment des Wiedersehens wich der aufgestaute Schmerz über Trennung und Unfreiheit wie ein böser Spuk.
Seit dem 13. August 1961, dem Tag,als die DDR zum Gefängnis für ihre Bürger wurde, ist die Berliner Mauer ein Symbol für die Spaltung. Der Wille, in Freiheit zu leben, war oft stärker als die Angst, Opfer dieser Grenze zu werden. Bilder der Flucht, die damals um die Welt gingen, und die daran erinnern, daß vor 28 Jahren Stadtviertel und Straßen durchschnitten, Familien auseinandergerissen wurden.
Für die Menschen im anderen Teil Deutschlands war es ein Abschied von der Hoffnung auf baldige Freiheit
An die vielen Menschen, die bei Fluchtversuchen erschossen wurden, erinnert ein Gedenkstein. Jetzt ist die Mauer offen. Immer wieder haben in den Wochen zuvor Hunderttausende in der DDR friedlich für mehr Freiheit demonstriert mit Erfolg. Noch können manche es nicht glauben.
"Können wir gar nicht fassen!"
"Wahnsinnig, würde ich sagen, ja!"
"Wahnsinnig, und eine Begrüßung ist das, also wir sind - kann man nicht beschreiben."
"Das ist ganz hervorragend. Daß wir heute mal wohin können, wo wir sonst nie durften. Als 10-jähriger Junge war ich das letzte Mal drüben."
"War'n Sie schonmal im Westen vorher?"
"Nein, nein, ich bin 34 Jahre unddurftenie weg. Wir warenvor kurzer Zeit noch drüben auf der anderen Seite und mit meinen Kindern, jetzt freuen wiruns ganz riesig, daß wir nun hier stehen dürfen, uns mal diese Seite angucken können. Anschauen, alles anschauen, genießen, erleben. Mal sehen."
Am 10. November versammelten sich Ost- und Westberliner zu einer Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus.
Momper: "Wir begrüßen in unserer Mitte alle, die als Gäste aus Ost-Berlin und aus der DDR unter uns sind - herzlich willkommen."
Bundeskanzler Helmut Kohl sagte vor den Zehntausenden, dies sei ein historischer Augenblick für Berlin und Deutschland, der lange herbeigesehnt worden ist. Als die bevorstehende Öffnung weiterer Grenzübergänge in der geteilten Stadt bekannt-gegeben wurde, sah man nur noch jublende Menschen auf dem großen Platz. Genscher: "Es werden heute geöffnet: 18.00 Uhr die Glienicker Brücke und Gadow. Es werden morgen geöffnet: 8.00 Uhr der Übergang Eberswalderstraße. Ab 12.00 Uhr: Potsdamer Platz, Wollanckstraße."
Die Flut der Besuchsreisen in den Westen zwang die DDR-Führung, für mehr Übergänge Löcher in die Mauer und die_1.400 Kilometer lange deutsch-deutsche Grenze zu reißen.
Statements: "Es ist Wahnsinn, wenn ich das so beschreiben kann, ja es ist Wahnsinn. Wir könne det nicht beschreiben, dat is einmalig! Daß wir das hier erleben können, wie die Mauer jetzt hier fällt, wir harren hier aus, bis sie unten ist, das ist einmalig, ja, muß ich ehrlich sagen."
"Ich arbeite 25 Jahre hier in der Gegend und hab' erlebt, wie die Mauer gebaut wurde und konnte heute Nacht nicht schlafen, bin von weit her hergekommen, um hier mitzuerleben, wie ich in den nächsten Jahren hier weiterarbeite, nämlich mit dem Loch in der Mauer. Herrlich!"
Als die Mauer am Potsdamer Platz durchbrochen wurde, war der West-Berliner Bügermeister, Walter Momper, einer der ersten, die das mit eigenen Augen sehen wollten. Berlin ist in diesen Tagen die glücklichste Stadt der Welt, sagte er.
Momper: "Ja, das ist wirklich das Herz des alten Berlins. Hier hat es geschlagen. Hier war die Verkehrsader, hier waren die guten verkehrlichen Zuführungen aus allen Seiten Berlins, und dieser Platz wird nun wieder für den Verkehr geöffnet. Das wird wieder so etwas, wie das Herz zwischen Berlin-West und Berlin-Ost werden."
Von der anderen Seite kam ihm sein Amtskollege, der Ost-Berliner Bürgermeister, entgegen. Das Öffnen der Grenze wird ein neues Zusammenleben in Berlin einleiten, aber der historische Händedruck, der dies besiegeln soll, geht im Andrang der Fotografen unter.
So hatte es noch gestern hier ausgesehen: Der Potsdamer Platz, zerschnitten von der Mauer, ausgestorben. Als die Mauer hier fiel, kamen Hunderttausende, und alle spüren, daß für Berlin nun alles anders wird.
Zur gleichen Zeit in der West-Berliner Innenstadt: Da es in der DDR immer noch große Versorgungsprobleme gibt, wundert es niemanden, daß viele erst einmal einkaufen wollen. Am Ende der langen Schlange gibt es ein Begrüßungsgeld, Westwährung, für die zu warten es sich lohnt.
Noch nie war Berlin so voll: Rund eine Million Menschen waren es, die schon in den ersten Tagen heruberkamen, und sei es, um nur einen Stadtbummel zu machen oder einmal eine andere Zeitung zu kaufen.
Es war Sonntag, aber Berlin hat an diesem Wochenende durchgehend geöffnet. Morgen wollen sie zurück an ihren Arbeitsplatz, sagen die Besucher aus dem Osten, aber möglichst bald wiederkommen.
Vor der international Presse erläutert Helmut Kohl an diesem denkwürdigen Wochenende die Position der Bundesregierung: Es müssen in der DDR Bedingungen geschaffen werden, die es den Menschen dort ermöglichen, in ihrer angestammten Heimat bleiben zu können.
Kohl: "Wir erleben tief bewegt, daß dich die Berliner Mauer endlich für alle unsere Landsleute öffnet. Die Menschen in der DDR haben ein Recht auf freie Meinungs-äußerung, auf eine freie Presse, auf freie Bildung von Gewerkschaften, auf freie Gründung von. unabhängigen Parteien, auf freie, gleiche und geheime Wahlen. Unsere Landsieute sind dabei, sich diese Freiheiten zu erkämpfen. Sie haben dabei selbstverständlich unsere volle Unterstützung."
02. Kohl in Polen
Ein anderes historisches Ereignis für Europa: Warschau vor dem Besuch des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Für ihn war dieser Besuch eine seiner wichtigsten Auslandsreisen in den letzten Jahren. Heute, da sich mit dem Ende des Kalten Krieges eine neue Friedensordnung für das gesamte Europa abzeichnet, kommt dem Verhältnis von Deutschen und Polen eine besondere Bedeutung zu. Ihre Beziehungen im Herzen Europas treten gegenwärtig in ein neues Stadium. Die dramatischen Ereignisse in der DDR sind auch durch die Reformentwicklung in Polen möglich geworden.
Tadeusz Mazowiecki ist der erste nichtkommunistische Regierungschef innerhalb des Warschauer Paktes. Er steht vor der schwierigen Aufgabe, sein Land durch tiefgreifende wirtschaftliche und politische Reformen in eine bessere Zukunft zu führen, wobei ihm der Bundeskanzler Unterstützung zusagte.
Der Bundeskanzler besuchte das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz, wo Angehörige vieler Völker, die meisten davon Juden, von den Nazis ermordet wurden.
Helmut Kohl bekräftigt in Auschwitz, daß dieser Ort mahnt, die Schrecken der Vergangenheit niemals zu vergessen.
In Kreislau trafen sich die beiden Staatsmänner zu einem gemeinsamen Gottesdienst. Hier hatte sich eine Keimzelle des deutschen Widerstandes gegen Hitler gebildet. Zu der gemeinsamen Messe waren auch viele in Polen lebende Menschen deutscher Abstammung erschienen.
Beide Regierungschefs bekundeten, daß sie die Gräben der Vergangenheit im Geiste der Aussöhnung fur immer überwinden wollen.
Kohl: "Wir wollen Geschichte nicht vergessen, aber wir wollen gemeinsam aus Geschichte lernen. Und so laßt uns aufbrechen von diesem Altar in eine friedvolle Zukunft für unsere Völker. Für die Polen, für die Deutschen, für uns alle in Europa."
Dieser Aufbruch verlangt mehr Begegnungen der jungen Menschen aus beiden Ländern. Daher vereinbarten Kohl und Mazowiecki, den Jugendaustausch auszubauen. In ger abschließenden gemeinsamen Erklärung bekräftigten beide Seiten außerdem den Warschauer Vertrag von 1970, in dem sich beide Staaten zur uneingeschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität bekannt haben. Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt die Reform der Wirtschaft Polens mit einem umfangreichen Hilfsprogramm. Es werden Kredite gewährt, und Unternehmen aus beiden Ländern sollen künftig einfacher zusammenarbeiten können. Europa rückt enger zusammen. Und in einem vereinten Europa müssen auch das polnische und das deutsche Volk eine gemeinsame Zukunft in Freiheit und Selbstbestimmung finden. Der Bundeskanzler zog eine positive Bilanz:
Kohl: "Ich sage es besonders gern hier in Warschau, daß dieses Aufeinanderzugehen in Deutschland zwischen Deutschen und Polen ein großes Echo findet. Wissen Sie, wenn Sie in einer solchen schicksalhaften Stunde der Weltpolitik, und das ist eine schicksalhafte Stunde der Weltpolitik, nicht mutige Schritte tun, wann wollen Sie sie je tun? Die Zeit ist reif."
Bundeskanzler Kohl und der polnische Premierminister sind sich in diesen Tagen auch persönlich nahe gekommen - beide wollen, daß die geschlossenen Vereinbarungen und Abkommen auch mit Leben erfüllt werden.